Allgemeinverfügung zum Tauchen mit Atemgerät im Starnberger See vom 18.08.1994, zuletzt geändert mit Bescheid vom 21.07.1997

Das Landratsamt Starnberg erlässt folgenden Bescheid:

1. Der Bescheid des Landratsamtes Starnberg vom 18.08.1994 (Allgemeinverfügung) über die Erteilung der beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis nach Art. 17 des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG) für das Tauchen mit Atemgerät im Starnberger See, zuletzt geändert mit Bescheid des Landratsamtes Starnberg vom 21.07.1997, wird wie folgt ergänzt:

1.1. Nach dem Punkt I.7.18 wird der Punkt I.7.19 mit folgendem Inhalt eingefügt:

„Tauchgänge im Alleingang sind verboten.“

1.2. Nach dem Punkt I.7.19 wird der Punkt I.7.20 mit folgendem Inhalt eingefügt:

„Für alle Tauchgänge ist eine komplette kaltwassertaugliche Ausrüstung (insb. zwei getrennt absperrbare kaltwassertaugliche (EN 250)/ kaltwasserzugelassene Atemregler) zu verwenden. Bis zu einer Tauchtiefe von max. 20 Metern kann hiervon abweichend auch ein sogenanntes „Oktopussystem“ verwendet werden.

Jeder Taucher muss mit Kälteschutz und Kopfhaube ausgerüstet sein. Die Verwendung eines eigenen Tauchcomputer wird empfohlen.“

1.3. Nach dem Punkt I.7.20 wird der Punkt I.7.21 mit folgendem Inhalt eingefügt:

„Das Tauchen mit Pressluftgeräten ist nur bis zu einer Wassertiefe von 40,00 Metern erlaubt.“

1.4. Nach dem Punkt I.7.21 wird der Punkt I.7.22 mit folgendem Inhalt eingefügt:

„Technische Taucher (z.B. Trimixtaucher) dürfen Tauchgänge unternehmen, sofern Sie über eine gültige Lizenz verfügen, die von einer international anerkannten und nach geltenden Standards ausbildenden Organisation ausgestellt wurde. Sie müssen über eine, für einen solchen Taucheinsatz geeignete, Tauchausrüstung verfügen. Die Beherrschung der Ausrüstung sowie der Rettungs-/ Sicherheitsskills werden vorausgesetzt.“

1.5. Nach dem Punkt I.7.22 wird der Punkt I.7.23 mit folgendem Inhalt eingefügt:

„Bei der Anfängertauchausbildung ist der Grundsatz eines 1:1 – Verhältnisses zwischen Tauchausbilder und Tauchschüler, bei der fortgeschrittenen Tauchausbildung ist der Grundsatz eines 1:2 – Verhältnisses zwischen Tauchausbilder und Tauchschüler einzuhalten.“

2. Für diesen Bescheid werden keine Kosten erhoben.

Gründe:

I.
Seit 1994 ereigneten sich im Tauchrevier „Allmannshauser Steilwand / Seeburg“ am Starnberger See insgesamt 11 tödliche Tauchunfälle, 35 Personen wurden bei weiteren Unfällen zum Teil schwer verletzt. Aus Sicht der Polizeiinspektion Starnberg stellt dieser Bereich mittlerweile eine absolute Gefahrenstelle im besonderen Einzelfall dar.
Im Nachgang zu den beiden letzten tödlichen Tauchunfällen am Starnberger See / Allmannshauser Steilwand (an der Seeburg) am 18.03.2007 und 27.06.2007 fanden verschiedene Gespräche zusammen mit der Polizeiinspektion Starnberg und diversen Verbänden statt. Zudem wurden im Vorfeld Rettungsorganisationen und Verbände zu einem ebenfalls in Betracht genommenen Tauchverbot gehört.
Als Ergebnis dieser Gespräche bleibt festzuhalten, dass der Tauchsport am Starnberger See (und auch an der Allmannshauser Steilwand / Seeburg) weiterhin grds. möglich sein und damit nicht generell verboten werden soll. In Anbetracht der Tauchunfälle der vergangenen Jahre, die sich nicht ausschließlich an der Allmannshauser Steilwand / Seeburg ereigneten, sind aus Sicht der Sicherheitsbehörden allerdings Einschränkungen in Form von weitergehenden Auflagen zum Sporttauchen erforderlich, wenn das Sporttauchen am Starnberger See nicht generell untersagt werden soll. Damit sollen letztlich weitere Unfälle vermieden oder zumindest vermindert werden.
II.
Die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis in Form einer sogenannten Allgemeinverfügung richtet sich nach den §§ 35 ff. des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Dieser Bescheid ist an alle Personen gerichtet, die in Zukunft im Starnberger See mit Atemgerät tauchen wollen, und ist für diese verbindlich.
Dieser Bescheid gilt mit dem auf die Veröffentlichung im Amtsblatt für den Landkreis Starnberg folgenden Tag als öffentlich bekannt gegeben und wird damit wirksam (Art. 41 Abs. 3 und 4 BayVwVfG). Bei der öffentlichen Bekanntmachung konnte auf die Begründung verzichtet werden (Art. 39 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG).
Das Tauchen mit Atemgerät fällt in Bayern nicht unter den allgemein zulässigen Gemeingebrauch nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayWG. Die Kreisverwaltungsbehörden können aber durch Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung geeignete Gewässer für das Tauchen mit Atemgerät zur Ausübung des Gemeingebrauchs widmen (Art. 21 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit Art. 22 BayWG). Das Landratsamt Starnberg hat von dieser Möglichkeit im Jahr 1994 Gebrauch gemacht und das Tauchen im Starnberger See mit nur wenigen wasserwirtschaftlichen und naturschutzrechtlichen/ fachlichen Einschränkungen durch Allgemeinverfügung gestattet.
Aufgrund der zahlreichen schweren Unfälle beim Sporttauchen vor allem im Gebiet um die Steilwand bei Allmannshausen auf der Ostseite des Starnberger Sees (seit 1994: 11 Todesfälle und 35 zum Teil Schwerverletzte) hat sich im Laufe der Jahre allerdings gezeigt, dass die bestehenden Einschränkungen nicht mehr ausreichen um die – vor allem tödlichen – Unfälle zu vermeiden. Daher wurde von verschiedenen Seiten eine strengere Reglementierung des Sporttauchens am Starnberger See mit Atemgerät aufgrund dieser im Lauf der Zeit entstandenen besonderen Gefahrenstelle gefordert.

Hiergegen bestehen grundsätzlich keine Einwände, da es im Wasserrecht keinen Anspruch des einzelnen Staatsbürgers auf Begründung oder Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an einem bestimmten Gewässer gibt (vgl. hierzu auch Czychowski, WHG, 7. Aufl., § 23 RdNr. 10ff.). Darüber hinaus spiegeln viele der erlassenen zusätzlichen Einschränkungen lediglich die geltenden technischen Regeln wieder, die hier zur Klarstellung für den gesamten Starnberger See zur Geltung gebracht werden sollen.

Wer allerdings einen einmal begründeten Gemeingebrauch ausübt oder ausüben will, kann ungeachtet dessen aber verlangen, dass bei Eingriffen in diese Rechtsposition die einschlägigen Vorschriften des formellen und materiellen Rechts beachtet werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.6.1987 – 1 S 1699/86 -, VBlBW 1988, 255, 256; im Ergebnis ebenso Urt. v. 13.3.1987 – 5 S 279/86 -, VBlBW 1987, 377). So ist insbesondere auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

Nach Art. 22 BayWG kann die Kreisverwaltungsbehörde die Ausübung des Gemeingebrauchs aus den dort genannten Gründen – insb. auch um Gefahren für Leben und Gesundheit zu verhüten – regeln, beschränken oder verbieten.

Es handelt sich hier um eine Ermächtigungsvoraussetzung, die ihrem Tatbestand nach typisch sicherheitsrechtlichen Charakter trägt. Die Gefahr ist hier ganz im sicherheitsrechtlichen Sinn zu verstehen: sie liegt vor, wenn eine Sachlage besteht, die die erkennbare objektive Möglichkeit eines Schadens enthält, der nach verständigem Ermessen vorzubeugen ist. Es muss also die Möglichkeit eines Schadens vorliegen, der die Schutzgüter Leben und Gesundheit (oder ein anderes von den in Art. 22 BayWG genannten Schutzgütern) bedroht. Im übrigen käme als weitere Ermächtigungsgrundlage zur Abwehr konkreter Gefahren für Leib und Leben Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in Betracht.

Weiter muss die getroffene Regelung geeignet sein, der Gefahrenlage zu begegnen.

Tauchgänge im Alleingang stellen stets ein Risiko für den einzelnen Taucher dar, da beim Auftreten einer Gefahrensituation dann keine Hilfe von außen – sprich von einem zweiten Taucher – erwartet werden kann. Gerade aber bei Tauchgängen ist jeder einzelne Taucher in einer Gefahrensituation auf die Unterstützung eines Außenstehenden angewiesen. Etwaige Gefahrensituationen können aber gerade von außen auch nicht erkannt werden.

In diesem Zusammenhang ist – vor allem aus tauchmedizinischer Sicht – auch zu beachten, dass das Tauchen mit Pressluft in einer Tiefe von mehr als 40 Metern extrem gefährlich ist. Zudem sehen die Ausbildungsrichtlinien der einschlägigen Tauchsportverbände dies auch nicht vor.

Schon ab geringen Tauchtiefen ist der Starnberger See ein durchgehend kaltes Gewässer (Wassertemperatur 4 °C). Dies stellt auch besondere Anforderungen an die von einem Taucher zu verwendende Ausrüstung. Sie muss grundsätzlich für den Einsatz in solch einem Gewässer geeignet und auch zugelassen sein. Am Starnberger See gab es bereits Tauchunfälle, die technische Ursachen hatten. Hier kam es auch immer wieder vor, dass Atemregler während des Tauchgangs vereist sind. Dies führte – mangels redundanter Atemreglersysteme – zu einem Ausfall der Luftversorgung dieser Taucher. Dem kann begegnet werden, indem redundante Atemreglersysteme, d.h. zwei getrennt absperrbare kaltwassertaugliche Atemregler zum Einsatz kommen. Viele Taucher haben dieses System allerdings nicht und verwenden ein sogenanntes Oktopussystem, d.h. einen zusätzlichen Mitteldruckschlauch. Bei Tauchtiefen bis 20 Meter kann alternativ auch dieses System zum Einsatz gebracht werden. Die Kaltwassertauglichkeit ist grundsätzlich in der EN 250 geregelt.

Daneben sind auch die technischen Taucher (z.B. sogenannte Trimixtaucher) zu betrachten. Aufgrund der zu erreichenden Tauchtiefen (bis zu 100 Meter Tauchtiefe und mehr) müssen diese unbedingt mit der von ihnen verwendeten Ausrüstung vertraut sein und über eine hierauf abgestimmte Ausbildung verfügen. Andernfalls nehmen Unfälle oder Störfälle oftmals ein tödliches Ende. Hierbei ist auch zu beachten, dass Rettungsmaßnahmen generell nur bis zu einer Tauchtiefe von 30 Metern möglich sind. Diese Tiefe ergibt sich aus den für die Rettungsorganisationen geltenden Regelungen.

Die Tatsache, dass in den letzten Jahren mehrere Taucher im Starnberger See tödlich verunglückt bzw. schwer verletzt worden sind, dürfte grundsätzlich dafür sprechen, die Ausübung des Tauchsports weiter zu reglementieren. Gerade diese Reglementierungen stellen gegenüber einem (generellen oder auch nur örtlich begrenzten) Tauchverbot aber in jedem Fall das mildere Mittel dar, das dementsprechend weiter zu verfolgen ist.

Im Wasserrechtsverfahren wurde die Zulässigkeit der Gewässerbenutzung überprüft. Im Benehmen mit den zuständigen Behörden und sonstigen Verfahrensbeteiligten Stellen wurde geprüft, ob und inwieweit Sporttauchen mit Atemgerät im Starnberger See mit den rechtlich geschützten Interessen der Allgemeinheit und Dritter im Einklang steht. Im besonderen Maße waren hier auch die Interessen der gewerblichen Taucher (Tauchschulen) zu berücksichtigen, die neben einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis grundsätzlich auch das privatrechtliche Einverständnis des Gewässereigentümers, hier des Freistaates Bayern, vertreten durch die Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen – Außenstelle Starnberger See. Ein generelles Tauchverbot würde vor allem die ansässigen Tauchschulen und Tauchcenter erheblich treffen und könnte Existenzgefährdende Auswirkungen haben. Dagegen muss allerdings beachtet werden, dass es – auch in der jüngeren Vergangenheit – im Verlauf von angebotenen Tauchkursen immer wieder auch zu (tödlichen) Tauchunfällen am Starnberger See kam.
Bei diesen Tauchunfällen spielte nicht zuletzt auch die Größe der Tauchgruppe eine Rolle, so kamen zum Teil vier bis fünf Tauchschüler auf einen Tauchlehrer. Gerade aber in der Anfängertauchausbildung muss sich der Tauchlehrer absolut auf einen Tauchschüler konzentrieren können um beim Auftreten etwaiger Gefahrensituationen sofort eingreifen zu können. Bei der fortgeschrittenen Tauchausbildung kann aufgrund der bereits bestehenden (Erst-)Erfahrungen der Taucher die Gruppe auf zwei Tauchschüler je Tauchlehrer aufgeweitet werden. Gegebenenfalls müssen bei größeren Tauchausbildungen weitere (Hilfe-)Tauchausbilder seitens der Tauchschulen eingesetzt werden um auch hier die Sicherheit der einzelnen Tauchschüler zu gewährleisten.
Nach dem Ergebnis der Prüfung ist eine Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit und von Rechten Dritter nicht zu besorgen, wenn die Auflagen und Bedingungen eingehalten werden.
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Landratsamtes Starnberg zum Erlass dieses Bescheides ergibt sich aus Art. 75 Abs. 1 BayWG sowie Art. 3 BayVwVfG.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 1, 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 des Kostengesetzes (KG).
Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht in 80005 München, Postfach 20 05 43 (Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, der angefochtene Bescheid soll in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung:

– Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.06.2007 (GVBl 2007, 390) wurde das Widerspruchsverfahren im Bereich des Wasserrechts abgeschafft. Es besteht keine Möglichkeit, gegen diesen Bescheid Widerspruch einzulegen.

– Die Klageerhebung in elektronischer Form (z.B. durch E-Mail) ist unzulässig.

– Kraft Bundesrechts ist bei Rechtsschutzanträgen zum Verwaltungsgericht seit 01.07.2004 grundsätzlich ein Gebührenvorschuss zu entrichten.

Heinrich Frey
Landrat